Stoffwechsel

Das Equine metabolische Syndrom (EMS) beim Pferd

Das Equine metabolische Syndrom, kurz „EMS“ ist eine Wohlstands- oder Zivilisationskrankheit der heutigen Hauspferde. EMS entsteht durch langanhaltende Überfütterung, vor allem mit Kohlenhydraten. EMS trifft sowohl Freizeit- als auch einen Teil der Sportpferde. Auch bei Vollblutpferden und Warmblutpferden kann man immer häufiger Fälle von EMS beobachten. EMS entwickelt sich bei Pferden nicht über Nacht. Viele Pferde sind seit Monaten oder sogar Jahren bereits deutlich übergewichtig oder fettleibig. Daher ist EMS auf der einen Seite als metabolische Erkrankung zu verstehen, auf der anderen Seite eine Folge von Missmanagement durch den Menschen.
Krankheitsbild EMS beim Pferd - was ist das?

Überernährung ist für ein Pferd ein normales Phänomen. Im Sommer lagert das Pferd nicht genutzte Kohlenhydrate in Form von Fett in seine Fettpolster ein, um in Zeiten von größeren Nahrungskarenzen davon zu zehren. In der Natur gehen Pferde daher leicht pummelig in den Winter und sind im Frühjahr schlank bis mager. Heutige Hauspferde unterliegen diesen Nahrungskarenzen nicht mehr. Das führt dazu, dass Pferd sehr dick in den Winter gehen und noch dicker ins Frühjahr starten. Im Sommer kommt weiteres Fett hinzu. Gelegentlich sind diese Gewichtszunahmen rasant. Pferde können problemlos bis zu ein Kilogramm Fett pro Tag aufbauen. Pferde mit EMS zeigen deutliche Veränderungen an Form und Ausprägungen der Fettpolster an Hals, Rumpf und Kruppe. Die Fettpolster bei Pferden und Ponys mit EMS sind stark vergrößert, fest und deutlich abgesetzt. Sie bilden klare Kanten. Der Halskamm kann sich auf 20 cm Höhe vergrößern und sein Gewicht verdoppeln. Das Rumpfpolster über den Rippen kann eine Dicke von über 5 cm erreichen. An der Hinterhand kann das Fettpolster mehrere Zentimeter dick werden und sich wie ein Mantel über die gesamte Muskulatur legen. Neben der Schweifrübe du auf der Kruppe können zudem aufgesetzte Fettpolster von 2 bis 4 cm dicke entstehen. Einige Pferde entwickeln ein dickes Polster am Unterhals, andere auch im Bauchraum, was viele Kilogramm wiegen kann. Besteht diese Überernährung nun dauerhaft und sind die natürlichen Fettpolster schon mehr als gut gefüllt, reagiert der Körper. 

Bei EMS kommt es zu einer Veränderung der Funktion von Fettpolstern hin zu einem hormonell aktiven Gewebe. Diese Aktivität hat eine lange Kette an Aus- und Nebenwirkungen zur Folge. Durch diese Veränderung der Fettpolster produziert das Gebe einerseits Stoffe, die die Insulinaktivität kompromittiert. Auf der anderen Seite hat das Pferd durch die permanente Überversorgung mit Kohlenhydraten einen permanent erhöhten Insulinspiegel. Ein gesundes und vernünftig gefüttertes Pferd zeigt nach der Aufnahme von Kohlenhydraten einen ansteigenden Insulinspiegel. Das durch die Bauchspeicheldrüse produzierte Insulin regt die Aufnahme von Glucose in die Zellen an. Durch die antagonistischen Aktivitäten der durch die veränderten Fettpolster produzierten Substanzen ist die Aufnahme von Glucose in die Zellen jedoch reduziert. Das Ergebnis ist ein weiterhin hoher Glucosespiegel im Blut und damit weiterhin hoher Insulinwert. Gleichzeitig sind die Zellen unterversorgt, da die Glucose nur noch sehr eingeschränkt hineingelangen kann. Da es aber weiterhin zu einem dauerhaften Überangebot mit Kohlenhydraten kommt, muss dieser Zustand durch den Körper kompensiert werden. Dieses kann nur geschehen durch die beinahe krankhafte Vergrößerung der Fettpolster und damit verbundene deutliche Absetzung. Langfristig führt dieser Zustand neben den körperlich sichtbaren Veränderungen zu Hufrehe und Insulinresistenz.

Ursachen Woher kommt EMS beim Pferd?

EMS entsteht durch langfristige Überfütterung mit Kohlenhydraten bei gleichzeitig zu wenig Anspruch durch Bewegung. Diese können aus dem Gras, Heu oder Heulage sowie Kraftfutter kommen. Heu ad libitum führt bei vielen Pferden und Ponys zu Übergewicht, da die Regulation der Aufnahme nicht über den Nährstoffgehalt wie zum Beispiel den Zuckeranteil im Heu geregelt wird. Wie genau die Sättigung beim Pferd geregelt ist, muss allerdings noch weiter erforscht werden. Aber auch heutiges Weidegras ist für viele Pferde und Ponys zu reichhaltig. Leistungsgräser, die vor allem viel Ertrag bei hohen Zucker- und Eiweißwerten liefern, sind landläufig nicht zur Ernährung von Freizeitpferden geeignet. Die Folge davon ist eine flächendeckende Problematik von Adipositas beim Pferd. Über 60 % der heutigen Hauspferde sind zu dick. Dazu kommen zu stärkehaltige Kraftfutterrationen oder eine generell unnötige Gabe von Kraftfutter, vor allem an Pferde, die zu wenig arbeiten. Auch große Mengen an Möhren oder Äpfeln bringen dem Pferd viel Energie, die es eventuell nicht braucht. Ist die Ration der Pferde zu zuckerhaltig, kommt es zu Übergewicht und in der Folge auch wahrscheinlich zu EMS. Die Adipositas ist der Hauptauslöser von EMS und ein gefährlicher, körperlicher Zustand. Die Fettleibigkeit belastet den gesamten Organismus. Dazu kommt eine vermutete genetische Komponente, die einerseits zu einer guten Grundverwertung von Nährstoffen führt, aber auch zu einer größeren Wahrscheinlichkeit EMS zu entwickeln. Besonders hervorzuheben ist zudem das deutlich ansteigende Risiko für ein Pferd EMS zu entwickeln, wenn eines oder beide Elterntiere bereits daran litten oder stark adipös waren. Eine der Hauptursachen für diese Symptomatik ist also, dass der Pferdebesitzer oft den Gehalt an Nährstoffen in der Ration des Pferdes nicht kennt. Darüber hinaus hat sich das Idealbild eines Pferdes in den Augen der Pferdebesitzer in den letzten Jahren deutlich verschoben. Ein adipöses Pferd wird häufig als gesund wahrgenommen, während ein schlankes, eher sehniges Pferd als krank oder zu mager beschrieben wird. Das sorgt dafür, dass ein Pferd mit Adipositas oft nicht als krank erkannt wird, obwohl bekannt ist, dass die Adipositas eine höchst gefährliche Erkrankung für ein Pferd ist.

Symptome Welche Symptome zeigt mein Pferd bei EMS?

Pferde mit EMS haben deutlich ausgeprägte Fettpolster am Hals, Schulter, Rumpf und Kruppe. Diese können stark vergrößert und auch fest sein. Bei schweren Fällen ist vor allem der Mähnenkamm hart und prall gefüllt. Bei einigen Rassen kommen besondere Fettansammlungen im Rumpf vor, die zu einem starken Hängebauch führen. Viele dieser Pferde mit Hängebauch haben Probleme mit der Darmperistaltik. Der Darm scheint träge und es kommt auffallend oft zu Verstopfungskoliken und Kotwasser. Die Pferde haben oft ein schlechtes Immunsystem und eine Neigung zu Entzündungen und Infektionen. Das Fell wird stumpf und struppig. Gelegentlich bilden die Pferde, ähnlich wie bei PPID (Cushing) ein langes, lockiges Fell aus. Der Fellwechsel ist verzögert. Pferde mit EMS sind häufig sehr lethargisch und müde, neigen aber gleichzeitig spontan zu panikartigem Verhalten. Stuten rossen häufig besonders auffällig und lange. In der Regel kommt es parallel zur Lethargie auch zu einem Muskelverlust, vor allem in der Oberlinie. Pferde mit EMS sind nicht mehr leistungsbereit, sondern müde und neigen zur Muskelsteifheit. Durch die schlechte Aufnahme von Glucose in die Zellen, kann sich auch das Fressverhalten verändern. Pferde mit EMS zeigen häufig eine gewisse Fressaggression und scheinen immer Hunger zu haben. Dies kann bis zur Überladung von Magen und Darm führen. Bei schweren Fällen kommt es zu wiederkehrender Hufrehe. Zumindest aber auch zu immer neu aufflammenden Huflederhautentzündungen und schlechtem Hornwachstum. Auffällig für EMS sind langanhaltend hohe Cortisolspiegel. Cortisol ist ein Stresshormon, welches unter anderem sowohl die Symptomatik von EMS als auch die Neigung zu Entzündungen ist weiter verstärkt. Die Diagnostik von EMS ist komplex, da es keinen einzelnen Blutparameter gibt. Vielmehr ist es die Aufzählung der vielen unterschiedlichen Symptomatiken. Da EMS allerdings in Teilen in der Symptomatik mit PPID (Cushing) und der Insulinresistenz übereinstimmt, ergibt es Sinn zur Abgrenzung dieser Krankheiten zumindest einen Glucose-Resorptionstest durchzuführen. Hierbei wird dem Pferd über mehrere Stunden jedes Futter entzogen, bevor die erste Blutabnahme erfolgt. Nach Fütterung wird frequent gemessen, wie sich der Glucose und Insulinspiegel verändern. Sowohl Anstieg als auch Abstieg werden dabei in einer Kurve dargestellt. Bei der Diagnostik von PPID (Cushing) wird ein ACTH-Wert aus dem Blut erhoben. Allerdings ist der ACTH sowohl bei EMS als auch bei PPID erhöht, weswegen es danach Wiederholungstests sowie genaue Kontrolle aller weiteren Blutwerte bedarf, sobald das Pferd in ein vernünftiges Ernährungs- und Bewegungsprogramm eingestellt wurde.

Prävention & Behandlung Wie kann ich mein Pferd vor EMS schützen?

Der beste Weg zur Vermeidung von EMS ist die strikte Vermeidung von Überfütterung und Übergewicht bei Pferden. Dazu gehört eine gute Rationsbilanzierung mit einer ausgewogenen, raufutterbasierten Ernährung. Bei vielen Pferden ist es nicht möglich, Heu anzubieten. Diese Pferde benötigen eine bilanzierte Mischration aus verschiedenen Raufuttermitteln. Vor allem junge Pferde im Wachstum sollten keinesfalls übergewichtig sein. Entwickeln Pferde im Fohlenalter oder im Jungpferdealter bereits EMS durch Adipositas, sind langanhaltende Probleme vorprogrammiert. Es ist also an dem Besitzer zu reagieren, bevor das Pferd krank ist. Die meisten Pferde mit EMS müssen und sollten Gewicht verlieren. Allerdings darf die Gewichtsreduktion nicht zu rasant vonstattengehen. 200g Gewichtsreduktion pro Tag sind bei einem Kleinpferd ausreichend. Ansonsten droht das Risiko der Hyperlipämie, bei der zu schnell Körperfett gelöst wird und als zu große Fetttropfen in den Blutstrom gelangen, wo sie Gefäße verstopfen können. Eine radikale Diät ist bei Pferden daher immer abzulehnen. 

Neigen Pferde im Sommer zu großer Gewichtszunahme, sollte man dies bereits im Vorfeld durch ein sinnvolles Weidemanagement vermeiden. Es ist notwendig bei Pferden und Ponys mit EMS eine gute Grundfitness zu erhalten und diszipliniert einem Trainingsplan zu folgen. Auch bei Pferden nicht, die nicht oder nicht mehr geritten oder gefahren werden können, ist Bewegung wichtig. Ob spazieren gehen oder eine mehrtägige Wanderung – Bewegung mit dem Pferd macht Freude. Bewegung ist also das A und O. Das bedeutet auch, dass eine Haltungsveränderung bis hin zu einer Lauf- oder Aktivstallhaltung notwendig sein könnte. Das kann ein Pferd zu mehr Bewegung durch Laufwege oder Gruppendynamik anregen. Darüber hinaus ist aber auch ein Sport- und Fitnessprogramm unumgänglich. Die reine Haltungsänderung in Offen- oder Aktivstallhaltung reicht allein nicht aus. Hier ist der Besitzer gefragt, das Pferd täglich zumindest für 20 Minuten zügig zu bewegen. Zusätzlich dazu kommt ein sinnvolles Training nach Plan im aeroben Bereich von mindestens vier, besser fünfmal pro Woche. Da es sich bei EMS um ein metabolisches Problem handelt, ist die regelmäßige und längere Arbeit in einer moderaten Intensität sinnvoller als zum Beispiel lange zu galoppieren. Ist das Pferd wieder im Normalgewicht und durch ein gezieltes Training fit und gesund, steht dem natürlich nichts mehr im Wege. Schwierig wird es jedoch, wenn das Pferd durch Hufrehe oder andere Einschränkungen nicht trainierbar ist. In diesem Falle sollte ein Ernährungsexperte und der Tierarzt hinzugezogen werden. Handelt es sich nur um temporäre Einschränkungen, können diese durch ein gutes Futtermanagement unter Vermeidung der Überversorgung erst einmal kompensiert werden. Das Management von EMS ist eine Aufgabe, die den Besitzer für den Rest des Pferdelebens begleiten wird. Ist ein Pferd einmal an EMS erkrankt, können sich bei bestem Management zwar alle Symptome komplett zurückbilden, das Pferd bleibt jedoch empfindlich. Ändert sich das Management wieder hin zu Überfütterung, rasanter oder schleichender Gewichtszunahme und Adipositas, wird das Pferd sehr schnell alle genannten Symptome wieder entwickeln.

Fütterungsempfehlung Wie kann ich mein Pferd bei EMS mit Futter unterstützen?

Ein Pferd mit EMS sollte immer ausreichend Raufutter zur Verfügung haben. Dieses Raufutter sollte auf seinen Energie-, Eiweiß-, und Zuckergehalt hin untersucht werden. Hat das Heu einen Gesamtzuckergehalt über 10 % ist es sinnvoll, es vor der Gabe 20 Minuten in lauwarmem Wasser einzulegen und danach gut abzuspülen. Da gewaschenes Heu allerdings bereits nach zwei Stunden verdirbt, muss dieser Vorgang mehrfach am Tag wiederholt werden. Bei einer Reduktion des Raufutters muss darauf geachtet werden, dass ein Pferd niemals weniger als 1,7 kg Heu pro 100 kg Körpermasse erhalten darf. Dazu kann man maximal 1 kg Stroh pro 100 kg Körpermasse anbieten. Es kann notwendig sein, den Weidegang im Sommer auf wenige Stunden zu begrenzen oder einen Maulkorb einzusetzen. Es muss darauf geachtet werden, dass die reduzierte Ration ausreichend Eiweiß, sowie Mengen- und Spurenelemente enthält, damit kein Mangel entsteht. Nährstoffmängel sind, mit Ausnahme der Kohlenhydrate, ein häufiges Problem bei Pferden mit EMS. Vor allem Eiweißmängel können den Verlauf von EMS dramatisch verschlechtern. Gleiches gilt jedoch auch für den Bereich der Spurenelemente und Vitamine. Mangelernährung kann eine Therapie von EMS unnötig in die Länge ziehen. Daher sollte man immer darauf achten, dem Pferd ein gutes Mineralfutter zur Verfügung zu stellen. Dieses Mineralfutter sollte zudem vitaminisiert sein, da durch den eingeschränkten Weidegang die Vitaminzufuhr für das Pferd eingeschränkt ist. Dazu kann es sinnvoll sein, das Pferd mit Kräutermischungen zu unterstützen, die zwar keine Heilung bringen, aber das Wohlbefinden vergrößern können.

FAQ

Häufige Fragen

Bei EMS handelt es sich um eine Stoffwechselstörung: das Equine Metabolische Syndrom. Pferde erkranken an EMS durch langanhaltende, unsachgemäße Überfütterung und Übergewicht. Oft wird EMS erst erkannt, wenn das Pferd bereits lange daran leidet und sogar eine Hufrehe entwickelt hat.
Ist ein Pferd an EMS erkrankt, muss der Besitzer schnell handeln und sich professionelle Hilfe bei einem spezialisierten Futterberater und Tierarzt suchen, bevor es zu ernsten gesundheitlichen Beeinträchtigungen wie Hufrehe, Koliken, Lethargie, Haut- und Muskelproblemen kommt. Das Pferd benötigt ein besonderes Management, eine sehr gute Rationsbilanzierung sowie ausreichend Bewegung.
Im frühen Stadium können sich alle Symptome von EMS zurückbilden. Je länger der Zustand jedoch besteht, desto wahrscheinlicher sind dauerhafte Probleme. Daher sollte der Pferdebesitzer Übergewicht beim Pferd generell vermeiden.
Pferde mit EMS benötigen ein sehr Zuckerarmes Heu mit höchstens 10% Gesamtzuckergehalt. Durch den dauerhaften körperlichen Stress, ausgelöst durch Adipositas und daraus resultierende Oxidation wird ein sehr hochwertiges Mineralfutter benötigt. Pferde mit EMS sollten kein Kraftfutter erhalten. Man muss jedoch darauf achten, dass die Eiweißration ausreichend ist.